Raufende Kinder - Aggressives Verhalten, das unterdrückt werden muss?

Werden zwei wilde Buben, die schwitzend und schnaufend über den Rasen rollen und versuchen sich umzuwerfen und festzuhalten, von Erzieher/innen erwischt, wird dies im Regelfall bestraft und somit den Jungen als schlechte oder böse Verhaltensweise eingeprägt.

 

Wildheit, seine Kräfte zu messen und eine gesunde Rangordnung auszukämpfen, ist ein normales Bedürfnis von Kindern, vor allem auch von Jungs. Diese Verhaltensweisen werden jedoch fälschlicherweise oft als aggressives Verhalten von Erzieher/innen eingestuft.

 Wenn man Jungen Ihr Bedürfnis, sich zu spüren und auszutesten verwehrt oder gar bestraft, nimmt man ihnen einen bedeutenden Rahmen, in dem sie sich gesund entwickeln können. Wenn sie diesen Teil ihrer Männlichkeit ständig unterdrücken müssen, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Polizei über zunehmende Brutalität bei Jugendlichen klagt - über 15-Jährige, die noch zutreten, obwohl ihr Opfer schon wehrlos am Boden liegt. Mit ein Grund dafür ist, dass viele gar nicht wissen, was sie mit ihren Tritten oder Schlägen anrichten. Weil sie als Kinder nie spielerisch gekämpft haben. Weil Kämpfen tabu war.

 

So ist es für Erzieher/innen und Eltern wichtig, körperliche Auseinandersetzungen unter Kindern nicht grundsätzlich zu verbieten. Eine sensible Wahrnehmung der Emotionen und Gruppendynamiken hilft zu erkennen, ob Konflikte

entwicklungsfördernd oder destruktiv sind. Ebenso hilft das Ausüben bestimmter Kampfsportarten, gezielt

Schlüsselqualifikationen bei Kindern zu stärken. Besonders gut eignen sich Sportarten wie beispielsweise Ringen, Judo oder Brazilian Jiu-Jitsu. Bei diesen Kampfsportarten wird gewährleistet, dass das Gelernte auch in die Tat umgesetzt wird und freies, friedliches Kämpfen (Randori, Sparring) auf dem Trainingsplan steht.

 

Ein Kampf kostet Energie, Kraft und ist schweißtreibend. Gemeinsam an seine Grenzen zu gehen, löst ein unvergleichliches Verbundenheitsgefühl aus. So gibt es keinen Erfahrungsbereich in dem man sich emotional und räumlich näher kommen kann als beim Ringen und Raufen. Durch friedliches Kämpfen ohne Schläge und Tritte, das wir im Brazilian Jiu-Jitsu auch als „rollen“ bezeichnen, erfährt man im positiven Rahmen den Umgang mit Kraft und Aggression, Sieg oder Niederlage.

 

Das freie Kämpfen in friedlichem Rahmen stärkt das Selbstbewusstsein, die eigene Handlungsfähigkeit und die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen. Alle jungen Kampfsportler müssen lernen, dass Mitgefühl,

Verbundenheit und Fairness wichtige Eigenschaften eines guten Kämpfers und eines gesunden Menschen sind.

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Andrea Kottmair (Dienstag, 19 Juli 2016 14:09)

    Stark geschrieben!

  • #2

    Markus Rogen (Freitag, 04 November 2016 01:28)

    Da spricht mir jemand aus der Seele!

    Als Tierarzt kann ich nur sagen, dass Aggression per se überhaupt nichts Negatives ist! Aggression ist - wertfrei festgestellt - eine Variante von Verhalten, das der Überlebensstrategie dient, wie sie von der Natur angelegt ist. Kein Mensch regt sich beispielsweise darüber auf, dass Hundewelpen bereits im Alter von ein paar Wochen durch Rangel- und Raufspiele ihre Rangordnung klären.

    Ein vernünftiger Lehrer oder Erzieher sollte in der Lage sein, zu erkennen, ob es sich bei raufenden Buben um ein völlig natürliches Verhalten handelt, oder ob tatsächlich jemand gemobbt, unterdrückt oder bedroht wird.

    Man muss auch lernen dürfen, sich zu wehren und durchzusetzen, ohne dass das gleich als Gewalt ausgelegt wird. Kampfsport diszipliniert und lehrt, aggressives Verhalten zu kanalisieren. Und hier lernt man auch, dass man nicht immer das Alphatier sein kann, sondern auch mal eine - vielleicht schmerzhafte - Niederlage einstecken muss. Auch Schmerz und Druck zu tolerieren kann man lernen.

    Aggression und Durchsetzungskraft sind die treibende Feder der Evolution. Jedem muss es gestattet sein, sich zur Wehr zu setzen - und das zu lernen ist meines Erachtens außerordentlich sinnvoll.

    Leider ist es zu der allumfassenden Brüderlichkeit, die von Gutmenschen immer wieder postuliert wird, noch ein weiter Weg. Bis dahin kann ich nur empfehlen: Kontrollierte Aggression und Wehrhaftigkeit sind kein Fehler, sondern eine Eigenschaft, ohne die die Evolution nie stattgefunden hätte.

    So - und jetzt können die gewaltfreien Tofu-Esser gerne über mich herfallen, bevor sie anfangen, Bäume zu umarmen ...